Wer ist Moebius? Schwer zu sagen. Mit seiner Identität hat dieser Künstler ein virtuoses Doppelspiel getrieben. Auch den Namen seines Doubles Jean Girard kennt außerhalb der Comic-Welt nicht jeder, obwohl es sich um einen der größten Meister dieses Mediums handelt: um einen proteischen Freibeuter, der die Aneignung von Erzähl- und graphischen Mustern aus sämtlichen Regionen der Hoch- und der Populärkultur auf die Spitze getrieben hat. Zeichnungen aus den Carnets, Entwürfe, Studien, Titelbilder, Detailvergrößerungen schließen die legendäre Welt, ?Girs? alias Moebius auf: angefangen mit Blueberry (1963-1983) über Le garage herm?tique (1976-1979) bis zu der Space-Saga John Difool (1980-1989). All seinen Figuren begegnet Moebius in einer autobiographischen Bildgeschichte, die hier zum ersten Mal erscheint. Sie ist das Herzstück dieses Buches und stellt eine kleine Sensation dar. Aus dem unerschöpflichen Archiv einer fünfzigjährigen Produktion hat Andreas Platthaus für diesen Band wählen können. In einem ersten Durchgang schildert er die Biographie und die ästhetischen Beutezüge des Zeichners und deutet seinen zwiegesichtigen Mythos. Den Abschluß bildet ein weiterer Essay von Platthaus, eine Retrospektive, die bei Windsor McCay beginnt und mit den umstürzenden Entwicklungen der letzten zehn Jahre endet: dem Manga, der Literaturadaption, dem Reportage-Comic. Am Ende stellt sich die Frage nach der Zukunft dieses Mediums. Hat Moebius die Grenzen des Comic so weit ausgelotet, daß jenseits von ihm nur noch Platz für Eklektiker und Epigonen geblieben ist?